Aufgrund der hohen Strompreise lohnt sich das Schürfen von Bitcoins vielerorts nicht mehr. Und angesichts der Energiekrise drehen immer mehr Regierungen dem stromintensiven Kryptogeld den Saft ab. Die Suche nach neuen Standorten gestaltet sich schwierig.
An Ticketautomaten der SBB können Kunden seit geraumer Zeit Bitcoin kaufen. Man hält das Smartphone vor einen Scanner, dann wird der Betrag vom Konto auf die digitale Geldbörse gebucht – ähnlich wie bei einer Prepaid-Telefonkarte. Immer mehr Unternehmen akzeptieren die Kryptowährung als Zahlungsmittel. Die Frage ist nur, wie lange noch.
Denn das elektronisch erzeugte Geld verschlingt extrem viel Energie und hinterlässt einen riesigen ökologischen Fussabdruck. Sogenannte Miner müssen mit spezieller Computer-Hardware komplizierte kryptografische Rätsel lösen, um die Gültigkeit von Transaktionen zu verifizieren. Wem das zuerst gelingt, erhält als Belohnung Bitcoins. Das Verfahren nennt sich Proof of Work.
Mining lohnt sich nur bei nicht zu hohen Stromkosten
Um diesen Mechanismus am Laufen zu halten, rattern Rechenzentren, gross wie Fabrikhallen, Tag und Nacht. Die gemessen am Marktkapital grösste Kryptowährung verbraucht zeitweise mehr Strom als Argentinien, ein Land mit 45 Millionen Einwohnern. In Zeiten einer globalen Energiekrise wird das wirtschaftlich zu einem handfesten Problem.
Denn das Mining lohnt sich nur, wenn der Ertrag der geschürften Bitcoins höher als die Stromkosten ist. Eine einfache Rechnung. In letzter Zeit mussten einige Mining-Farmen ihre Rechner bei Strompreisspitzen denn auch vom Netz nehmen. Dadurch wiederum sank der Stromverbrauch der Bitcoin-Welt, nach Schätzungen der Onlineplattform Digiconomist seit Juni um ein Drittel.
Lange Zeit war China das El Dorado für Kryptominer. Die Regierung lockte mit billigem Strom, der aus schmutziger Kohlekraft erzeugt wurde. Im September 2021 allerdings hat die chinesische Zentralbank den Minern den Stecker gezogen: Zum einen, weil sie eine eigene Digitalwährung herausgeben will. Zum anderen, weil sich die Regierung ambitionierten Klimaschutzzielen verschrieben hat: China will bis 2060 klimaneutral sein.
Standortsuche gestaltet sich schwierig
Das Reich der Mitte kämpft schon länger mit Energieproblemen, wegen stockender Kohleimporte aus Australien kam es immer wieder zu Stromausfällen. Im April 2021 mussten in der autonomen Region Xinjiang wegen eines Wassereinbruchs in einem Bergwerk Kohlekraftwerke heruntergefahren werden. Das führte zu einem Stromausfall, von dem auch Bitcoin betroffen war.
Und dann kam auch noch die Dürre in China dazu, die die Stromerzeugung aus Wasserkraftwerken empfindlich drosselt. Energiehungrige Kryptofarmen sind das Letzte, was Peking derzeit braucht. Die Miner müssen sich daher andere Produktionsstätten suchen.
Allein die Standortsuche gestaltet sich als schwierig. So haben etwa rohstoffreiche Länder wie Ägypten, Irak und Katar Kryptoaktivitäten verboten, unter anderem um illegalen Aktivitäten vorzubeugen. Auch Chinas Nachbarland Kasachstan, der zweitgrösste Bitcoin-Produzent nach den USA, ist zuletzt schärfer gegen illegale Bitcoin-Farmen vorgegangen, weil die heiss laufenden Server zu Engpässen in der Energieversorgung führen. Auch die iranische Regierung hat die Schrauben angezogen und 7000 Mining-Computer beschlagnahmt, um drohende Blackouts zu verhindern.
Im US-Bundestaat Texas, dem neuen «Hotspot» der Kryptoindustrie, mussten im Juli alle Bitcoin-Rechner abgeschaltet werden, weil die Stromnetze überlastet waren. Und in Schweden, wo wegen des kühlen Klimas zahlreiche Rechenzentren stehen, hat die Regierung vor wenigen Wochen angekündigt, dass die Stahlproduktion im Land den Vorzug vor Kryptowährungen erhält. «Wir brauchen Energie für nützlichere Dinge als Bitcoin», sagte der schwedische Energieminister Khashayar Farmanbar.
Der ehemalige Swissgrid-Krisenmanager Paul Niggli forderte in einem Interview mit CH Media, Bitcoins zu verbieten. Er sei schockiert, dass noch niemand auf diese Idee gekommen sei.
Auf eine Frage des Grünen-Nationalrats Felix Wettstein, welche Massnahmen die Schweiz im Falle einer Stromknappheit ergreife könne, antwortete der Bundesrat, dass die Anbieter von Kryptowährungsdiensten in einer Mangellage denselben Strombewirtschaftungsmassnahmen wie andere Stromverbraucher unterlägen. Nur: «Es gibt keine Daten über den Stromverbrauch, die vom Schweizer Netzwerk der Kryptowährungsdienste stammen», so der Bundesrat.
99 Prozent Einsparung dank Umstellung
Der Bitcoin-Konkurrent Ethereum hat es Mitte September vorgemacht, wie eine Transformation hin zu mehr Energiefreundlichkeit gelingen kann: Die zweitgrösste Kryptowährung ist vom stromintensiven Proof-of-Work-Verfahren umgestiegen auf das sogenannte Proof-of-Stake-Verfahren.
Statt wie bisher über einen Wettlauf um die schnellste Lösung einer komplexen Rechenaufgabe wird per Lotterie entschieden, wer das kryptografische Rätsel in Angriff nehmen darf. So müssen nicht zahlreiche Rechner parallel laufen. Die Umstellung auf das neue Verfahren soll langfristig eine Einsparung von 99 Prozent mit sich bringen. Das könnte den Druck auf den schmutzigen Widersacher Bitcoin weiter erhöhen.
Author: Tammy Steele
Last Updated: 1700385842
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